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Aus meiner Erfahrung in der Leitung von Kostenoptimierungsinitiativen in europäischen Industrieunternehmen weiß ich, welches transformative Potenzial strategisch angewandtes Cost Engineering besitzt. In einem besonders erfolgreichen Projekt konnte unser Einkaufsteam 28 % Kosten einsparen. Wir haben den Lieferanten gezeigt, was ein Bauteil eigentlich kosten sollte und mit klaren, nachvollziehbaren Kalkulationen.

Aber ich habe auch gesehen, wie gute Analysen wirkungslos bleiben, wenn sie niemand nutzt. Oft berechnen Expertenteams präzise Zahlen, aber der Einkauf verhandelt ohne diese Informationen und der Vertrieb nennt Preise, ohne zu wissen, wie wettbewerbsfähig sie wirklich sind.

Der große Unterschied entsteht, wenn alle Abteilungen zusammenarbeiten. Wenn Produktentwicklung, Einkauf und Vertrieb die gleichen Kostendaten nutzen, kann das Unternehmen bessere Entscheidungen treffen und wettbewerbsfähige Produkte entwickeln.

Cost Management 2025: Warum es jetzt entscheidend ist

Europäische Hersteller stehen 2025 vor einem herausfordernden, sich aber allmählich verbessernden Kostenumfeld, das durch anhaltenden Rohstoffpreisdruck und strukturell erhöhte Energiekosten gekennzeichnet ist. Die Preise für Industrierohstoffe sind weiterhin extrem volatil, während die Energiekosten weiterhin etwa doppelt so hoch sind wie in China und den USA. Statt ständig kurzfristig Kosten zu senken, braucht es jetzt eine klare Strategie, um dauerhaft profitabel zu bleiben.

Strategisches Cost Management hilft dabei, die Unternehmensziele mit den Kosten in Einklang zu bringen. So lassen sich Innovation und Wettbewerbsfähigkeit gleichzeitig fördern. Führende Unternehmen schaffen es, ihre Produktkosten mit Methoden um 15 bis 20 % zu senken, die sich oft schon nach 18 Monaten auszahlen.

1. Strategisches Cost Engineering – mit Kostenanalysen zur besseren Entscheidung

Die erfolgreichsten Cost Engineering Analysen beginnen mit einer einfachen Frage: „Was sollte dieses Produkt wirklich kosten?“
Einkaufsteams können ihre Verhandlungserfolge um bis zu 40 % steigern, wenn sie mit detaillierten „Sollkosten“-Modellen arbeiten. Dies geht nur, wenn das gesamte Unternehmen diese Informationen versteht und strategisch einsetzt.

Cost Engineering: Die Grundlage für fundierte Entscheidungen

Strategisches Cost Management ermöglicht es Unternehmen, fundierte finanzielle Entscheidungen für die Produktentwicklung zu treffen. Cost Engineering als Funktion bietet einen schrittweisen Ansatz, um die optimalen Kosten für ein Produkt zu ermitteln, indem dessen Komponenten, die Herstellungsweise und die aktuelle Marktsituation berücksichtigt werden.

Umsetzungsprozess

  1. Ziele und Umfang festlegen: Definieren Sie, wofür die Analyse gemacht wird. Berücksichtigen Sie den Produktionsstandort und den Markt.
  2. Daten erfassen: Sammeln Sie vollständige Informationen über Rohstoffe, Zukaufteile, Maschinenkosten, Lohnkosten, Gemeinkosten in Material, Produktion, Vertrieb und Verwaltung sowie Gewinn.
  3. Branchenvergleich: Vergleichen Sie die eigenen Werte mit Branchenstandards und ähnlichen Unternehmen, um Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen.
  4. Bereichsübergreifende Zusammenarbeit: Binden Sie Mitarbeitende aus Technik, Einkauf, Finanzen und Produktion gemeinsam in die Analyse ein.

Die Einführung von Cost Engineering erfordert eine gute Datenqualität und fachübergreifendes Wissen. Viele Unternehmen unterschätzen den Aufwand. Rechnen Sie mit drei bis sechs Monaten, um stabile Prozesse aufzubauen.

Zielkostenrechnung im Vergleich zu traditionellen Preisansätzen

Zielkostenrechnung: Marktpreis – gewünschter Gewinn = Zielkosten.

Diese Methode beginnt beim Marktpreis: Was ist der Kunde bereit zu zahlen? Davon wird der gewünschte Gewinn abgezogen, um die maximalen Produktkosten zu bestimmen.

Kostenaufschlagdsrechnung: Herstellkosten + Aufschlag = Verkaufspreis

Diese traditionelle Methode führt oft zu 10 bis 15 Prozent höheren Preisen als marktbezogene Ansätze.

Rahmenwerk für wettbewerbsorientiertes Kosten-Benchmarking

Benchmarking ermöglicht es einem Unternehmen, seine Kosten und Betriebsabläufe mit denen anderer Branchenteilnehmer zu vergleichen, um Verbesserungspotenziale aufzudecken. Die Beschaffung aussagekräftiger Benchmark-Daten erfordert jedoch Branchenbeziehungen und analytische Fähigkeiten, über die viele Organisationen nicht verfügen.

Drei Arten von Benchmarking

  1. Prozessbezogen: Vergleiche von Abläufen zur Erkennung von Schwächen.
  2. Leistungsbezogen: Vergleiche von Kennzahlen mit den besten Firmen der Branche.
  3. Strategisch: Beobachtung und Analyse der Vorgehensweise von Wettbewerbern.

Praxis-Tipp: Testen Sie die Zielkostenrechnung zuerst an einem neuen oder bestehenden Produkt. Setzen Sie die Methode erst nach erfolgreicher Prüfung im gesamten Unternehmen ein. Rechnen Sie mit Widerstand von Teams, die an die alte Methode gewöhnt sind.

Vorschau auf den nächsten Artikel: Teil 2 zeigt, welche versteckten Kostentreiber berücksichtigt werden müssen und stellt fortgeschrittene Methoden zur Optimierung vor.

 

2. Kontrollsysteme

Kostenüberschreitungen entwickeln sich oft schrittweise und bleiben zunächst unbemerkt. Gute Kontrollsysteme erkennen Abweichungen frühzeitig und geben rechtzeitig Hinweise.

Dashboards zur Entscheidungsfindung: Ein gutes Kostencontrolling zeigt nur fünf bis sieben wichtige Kennzahlen. Viele Unternehmen tun sich schwer, sich auf die richtigen Kennzahlen zu einigen.

Frühwarnindikatoren

  • Materialkosten weichen mehr als 5 Prozent vom Plan ab
  • Arbeitseffizienz liegt unter 85 Prozent des Standards
  • Gemeinkostenabweichung über 12 Prozent
  • Qualitätskosten steigen über 2 Prozent des Umsatzes

Wichtige Technologien: Wenn ERP (Enterprise Resource Planning), PLM (Product Lifecycle Management) und Kostenmanagementsysteme zusammenarbeiten, lassen sich Kosten schneller und besser verfolgen. Diese Integration ermöglicht Vorhersagen für 6 bis 18 Monate. Dafür braucht es aber Zeit, gute Daten und IT-Ressourcen.

Entscheidungsstufen

  • Grün: Abweichung unter 3 Prozent – Projekt kann laufen
  • Gelb: Abweichung 3 bis 8 Prozent – genau beobachten
  • Rot: Abweichung über 8 Prozent – sofort eingreifen

Firmen mit funktionierenden Frühwarnsystemen reduzieren Kostenüberschreitungen um 40 Prozent. Der Aufbau solcher Systeme erfordert jedoch Unterstützung der Führung und Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg.

Praxis-Tipp: Starten Sie mit manueller Beobachtung von drei Hauptkennzahlen. Rechnen Sie damit, dass technische Lösungen teurer und aufwändiger sind als geplant.

 

3. Risikomanagement

Preisschwankungen bei Materialien können gezielt ausgeglichen werden, wenn gute Kostenmanagementsysteme vorhanden sind. Diese helfen, Marktveränderungen früh zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern.

Lieferantenrisiken: Dazu gehören finanzielle Stabilität, geografische Abhängigkeiten und Einzelquellen. Eine umfassende Bewertung erfordert Zeit und kann das Verhältnis zum Lieferanten belasten.

Schwankungen bei Materialpreisen: Strategien wie langfristige Verträge oder Finanzinstrumente helfen, Preissicherheit zu schaffen. Jede Strategie hat Vor- und Nachteile. Langfristverträge bieten stabile Preise, machen aber unflexibel. Die Entscheidung sollte gemeinsam von Technik, Einkauf, Lieferkette und Finanzen getroffen werden.

Risiken im Einkauf: Erfolgreiche Firmen kombinieren 60 Prozent stabile Verträge mit 40 Prozent flexiblem Einkauf. Dafür braucht es Fachwissen und gute Beziehungen zu Lieferanten.

Änderungsmanagement: Technische Änderungen am Produkt können die Kosten stark beeinflussen. Diese sollten vorab gemeinsam von Entwicklung, Einkauf und Finanzen bewertet werden. Allerdings kann ein strenger Freigabeprozess Innovationen verlangsamen und Zusammenarbeit verändern.

Praxis-Tipp: Beginnen Sie mit der Bewertung der 20 wichtigsten Lieferanten, die 80 Prozent der Ausgaben betreffen. Rechnen Sie mit Widerstand bei der Herausgabe von Finanzdaten und planen Sie, wie Sie das Verhältnis zu den Lieferanten pflegen.

Vorschau auf den nächsten Artikel: Teil 2 zeigt, wie man diese Methoden konkret umsetzt und welche organisatorischen Fragen dabei entscheidend sind.

 

4. Umsetzungsplan

Cost Management Initiativen scheitern, wenn die Unternehmensführung sie nicht als strategische Imperative behandelt. Ohne das Engagement der Führungsebene entstehen Parallelwelten, in denen Wachstumsteams eine Expansion „um jeden Preis“ verfolgen, während die für die Kosten zuständigen Teams Einsparungen ohne eine Übersicht über die Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership) anstreben. Obwohl jede Organisation ihre eigene Dynamik hat, bietet die folgende Roadmap einen realistischen Rahmen für eine systematische Umsetzung.

12-Monats-Plan

Monate 1 bis 3: Grundlagen schaffen

  • Team mit Unterstützung der Geschäftsleitung aufstellen
  • Ist-Analyse der aktuellen Kosten durchführen
  • Pilotprodukte und nötige Technik auswählen
  • Hinweis: Planen Sie 50 Prozent mehr Zeit für Abstimmungen ein

Monate 4 bis 6: Pilotphase

  • Zielkostenrechnung bei einem oder zwei Produkten testen
  • Einfache Kontrollsysteme einführen
  • Prozesse auf Basis der Erfahrungen anpassen
  • Ergebnis: Geprüfte Methode mit dokumentierten Erkenntnissen

Monate 7 bis 9: Ausweitung

  • Methode auf weitere Produkte anwenden
  • Erweiterte Systeme und Vorhersagemodelle einführen
  • Schulungen im gesamten Unternehmen durchführen
  • Hinweis: Rechnen Sie mit Verzögerungen und Widerstand

Monate 10 bis 12: Optimierung

  • Ergebnisse mit Branchenstandards vergleichen
  • Verbesserungsprozesse einführen
  • Erfolgreiche Ansätze dokumentieren und verbreiten
  • Nachhaltigkeit: Klare Strukturen schaffen, um Fortschritte zu sichern

Erfolgsfaktoren: Erfolg hängt weniger von der Technik ab, sondern von der Unterstützung der Führung, bereichsübergreifender Zusammenarbeit, guter Datenqualität und geplanter Veränderung. Rechnen Sie mit Widerständen und planen Sie ausreichend Zeit dafür ein.

Fortsetzung der Serie: Teil 2 und 3 zeigen konkrete Methoden und Messsysteme und gehen auf die organisatorischen Hürden ein, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.

Quellenverzeichnis